Definitionsgeschichte von Musik
Die Frage, was Musik ist oder nicht ist, ist so alt wie das Nachdenken über Musik selbst. Trotz der zahlreichen historischen Versuche, zu einem allgemeinen und grundsätzlichen Musikbegriff zu gelangen, gab und gibt es keine allein gültige Definition. Die bisherigen Begriffsbestimmungen stellten jeweils einen Bestandteil des Phänomens Musik in den Mittelpunkt. Die Definitionsgeschichte ist von vielen Widersprüchen geprägt: Musik als rationale, zahlenbezogene Wissenschaft, Musik als gefühlsbetonte Kunst, Musik im apollinischen oder dionysischen Verständnis, Musik als reine Theorie oder reine Praxis – oder als Einheit beider Bestandteile.
Musik ist ein sehr alter Begriff, der in unterschiedlichen Kulturen für verschiedene Dinge steht. Sie wird als eine Zufluchtsstätte für individuelles Erleben und zugleich als eine Form der Kommunikation beschrieben. Weiters gilt sie als Phänomen, das sich in wechselseitiger Beeinflussung von Individuum und Gesellschaft bildet und definiert. Musik wird auch als symbolische Sprache betrachtet, die begründet ist auf einer spezifischen, nichtinhaltlichen, formalen, konnotativen Beziehung zwischen Musik und dem subjektiven Erleben und Fühlen, denn Musik klingt in der Art und Weise, wie man erlebt und fühlt.
Einige Definitionen von Musik
Im dtv-Atlas ist zu lesen, dass der Begriff Musik auf das griechische Wort musiké zurückgeht. Das griechische Altertum verstand darunter die musischen Künste Dichtung, Musik und Tanz als eine Einheit.
Die Musik enthält zwei Elemente, nämlich das akustische Material und die geistige Idee. Diese beiden Elemente stehen nicht wie Form und Inhalt nebeneinander, sondern sie verbinden sich in der Musik zu einer ganzheitlichen Gestalt.
Um Träger geistiger Idee werden zu können, erfährt das akustische Material eine vormusikalische Zubereitung durch Auswahl und Ordnung – Töne werden aus der Vielfalt natürlicher Klänge ausgewählt. Das akustische Material wird durch die geistige Idee zur Tonkunst gestaltet.
Der Begriff Musik erlebte in den vergangenen Jahrtausenden mehrere Bedeutungswandlungen. Aus der Künsteeinheit löste sich im 4. Jahrhundert v. Chr. die musica heraus, deren Auffassung zunächst die einer theoriefähigen, mathematisch bestimmten Wissenschaft war. Diese blieb, unabhängig von der übrigen Entwicklung hin zur Schönen Kunst, bis ins 17. Jahrhundert in protestantischen Kreisen auch noch bis ins 18. Jahrhundert bestehen. So ist der Begriff musica bis zum entscheidenden Bedeutungswandel, der den heutigen Musikbegriff einführte, nicht allein als „Musiktheorie“ zu verstehen, er ergibt sich in seiner Definitionsvielfalt erst aus der Auffassung einzelner Epochen, ihrer Klassifikationen und Differenzierungen.
Eine andere Definition lautet, dass es sich bei Musik um produzierte Schallmuster unterschiedlicher Tonhöhen- und Längen zu emotionalen, sozialen, kulturellen oder kognitiven Zwecken handelt.
Im Duden wird Musik ursprünglich als Einheit von Poesie, Tanz und Musik beschrieben. Die Einheit als Geist und Gemüt bildende Bestätigung, aus der sich im 4. Jahrhundert als Einengung des Begriffs Musik die Tonkunst herauslöste.
„Im weiteren Sinn die absichtsvolle Organisation von Schallereignissen. Das akustische Material dieser Schallereignisse sind Töne (hervorgerufen durch periodische Schallschwingungen) und Geräusche (nichtperiodische Schallschwingungen). Die im Bereich des Hörbaren vorhandenen, als „hoch“ oder „tief“ empfundenen und unterschiedenen Töne und gegebenenfalls Geräusche werden in eine Ordnung gebracht, die einerseits einer gewissen Eigengesetzmäßigkeit unterliegt (die sich z.B. aus der Obertonreihe ergibt) oder durch äußere Gegebenheiten bestimmt wird (z.B. durch den Bau von Musikinstrumenten mit festen Stimmungen), andererseits einem historisch sich wandelnden Formungswillen unterliegt.“
M. Spitzer beschreibt Musik weiters als zeitliche Gestalt, die des Erlebens und des aktiven Hervorbringens solcher Gestalt bedarf. Scheinbar einfache Melodien wie Hänschen klein entstehen erst dadurch, dass Töne gehört und als Musik erlebt werden. „Gewiss, man kann sagen, dass nur dann, wenn man schon weiß, was Musik ist, auch solche Nicht-Musik (John Cages im Jahre 1952 komponiertes Stück 4´33) unter musikalischen Gesichtspunkt betrachtet werden kann, dass also diese Ausnahmen die Regel – Musik ist Melodie, Harmonie, Rhythmus und Struktur – bestätigt.“
Wie schon oben im Duden definiert, galt Musik im antiken Griechenland zunächst als zusammenfassender Begriff für die Ton-, Dicht- und Tanzkunst. Später wurde er in verschiedenen Kulturen und Epochen differenziert. Jedoch haben alle Definitionsversuche nachfolgende Bestimmungen gemeinsam: Musik ist primär hörbar und im Gegensatz zum Naturlaut vom Menschen absichtsvoll und nach gewissen Gesetzen gestaltet. Als bewusst gestaltetes Phänomen hat Musik im Gegensatz zur Sprache meist keine eindeutige zeichenhafte Bedeutung und sie ist vielfach eine kommunikative Aktion im weitesten Sinn.
Im Kapitel über Kulturabhängigkeit des Musikalitätsbegriffes schreibt Heiner Gembris, dass es Unterschiede in den Auffassungen über Musik gibt, insbesondere zwischen dem westeuropäischen Musikverständnis und dem Musikverständnis anderer Kulturen. “Der interkulturelle Vergleich zeigt, dass eine einzige naturgegebene Musik nicht existiert.“ (Brandl und Rösing 1993, S.71). Deshalb, so stellen Brandl und Rösing (1993, S. 72) fest, „muss der Begriff Musik für jede Kultur eigens definiert werden. Ein Analogieschluss selbst von experimentell nachgewiesenen europäischen Musikvorstellungen, Hörweisen und Regelsystemen auf andere Muskikulturen ist ebenso wenig möglich wie naivempathisches Verstehen.“ Forschungen der Musikethnologie und der Vergleichenden Musikwissenschaft haben hervorgebracht, dass jede Kultur gemäß ihrem soziokulturellen Kontext eine eigenständige Musikgeschichte herausgebildet hat.